Projektbeschreibung TEILMOBIL – GEMEINSCHAFT erFAHREN

Keine Zeit? Hier gibt’s die Kurzform!

Schloss Hamborn ist ein dorfähnlicher Zusammenhang im südlichen Paderborner Land. Auf der Paderborner Hochebene ein gutes Stück außerhalb von Borchen gelegen, zählt es zu dessen Ortsteil Kirchborchen. Die Entfernung über Land ins Stadtzentrum Paderborn beträgt lediglich 7,5 Kilometer.

Demografisch hebt sich Schloss Hamborn von der Mehrzahl der Dörfer im Umfeld ab. Dank Einrichtungen der vollstationären Kinder- und Jugendhilfe, Kompetenzförderung (Jugendsozialarbeit, teilweise mit externen Teilnehmer*innen), Waldorfschule und Waldorf-Förderschule (insgesamt ca. 600 Kinder und Jugendliche), Hilfen für junge Erwachsene (ambulant betreutes Wohnen) sowie einer wachsenden Mitarbeiter*innenzahl mit oftmals kinderreichen Familien ist der Anteil junger Menschen überdurchschnittlich hoch.

Die Vielfältigkeit Hamborns wird weiterhin deutlich durch die biologisch-dynamische Land- und Forstwirtschaft mit angeschlossener Nutzung erneuerbarer Energien, den Naturkostladen NATURA sowie zwei weiteren Einzelhandelsgeschäften, das Café Alte Schule, das Altenwerk mit großem Pflegebereich, die Reha-Klinik, eine Vollholzschreinerei, eine Zweiradwerkstatt, Gemüsegärtnerei, Reitstall, Obsthof mit Staudengärtnerei, die Medienwerkstatt (Fa. Daruf, deutscher Auslandsdienst für Rundfunk und Fernsehen), den Verlag Ch. Möllmann als Buchverlag, die Demeter-Imkerei (sabienenimkerei.de), sowie vielen weiteren Betrieben und Initiativen mehr.

Patient*innen der Reha-Klinik sind ebenso Bewohner*innen auf Zeit wie Dozierende, Lernende, Praktikant*innen und Mitarbeitende aus anthroposophischen Netzwerken. Diese Gruppen verbindet, dass sie noch nicht, nicht mehr oder für eine Weile nicht am klassischen Mobilitätskonzept des individuellen KFZ-Verkehrs teilhaben können oder wollen. Die Versorgung des Dorfes mit ÖPNV ist aktuell und absehbar deutlich unzureichend, insbesondere in den Abend-, Nacht- und frühen Morgenstunden sowie an Wochenenden und Feiertagen. Da aber die 500 hier ansässigen und arbeitenden Einwohner*innen Schloss Hamborns darauf angewiesen sind mobil zu sein für Nahversorgung, Kultur, Pflege von Freundschaften im Umfeld sowie Zugang zum Regional- und Fernverkehr sind innovative Mobilitätskonzepte ein wesentlicher Punkt nachhaltiger und zukunftsorientierter Dorfentwicklung.

Wir sehen zudem Synergieeffekte von Mobilität, Umweltschutz und praktizierter Nachbarschafthilfe, sodass wir darauf hinwirken, ausgehend von Mobilitätsfragen Effekte im gemeinschaftlichen Miteinander und intergenerationellem Dialog zu erzielen.

Das soll auf folgendem Weg erreicht werden:

  1. Nutzung vorhandener Resourcen: Aufbau eines Portals für die gemeinsame Nutzung vorhandener Mobilitätsresourcen.
  2. Bereitstellung von Mobilitätsalternativen: E-Mobil, E-Lastenfahrrad und E-Bikes. Wir sehen darin eine emissionsarme und umweltfreundliche Alternative zum Verbrennungsmotor. Durch die Bereitstellung von E-Fahrzeugen können Bewohner*innen die Entscheidung treffen auf ihr individuelles KFZ zeitweilig oder grundsätzlich zu verzichten. So verringern wir mittel- und langfristig Emissionen und erreichen darüber hinaus einen Flächengewinn, da der Bedarf an Abstellflächen und neuen Straßen verringert wird.
  3. Informationsveranstaltungen und Netzwerkarbeit zu Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz begleiten das Projekt.

Schon das Energiekonzept von Schloss Hamborn versucht Schädigungen der Umwelt zu verringern um „der Verantwortung für künftige Generationen gerade im Hinblick auf die Frage des Klimaschutzes gerecht zu werden“. Durch Wärmeversorgung aus Heizwerken auf Basis von Holzhackschnitzeln, Stromerzeugung mittels Fotovoltaikanlagen sowie dem Bezug von Ökostrom lässt sich erkennen, dass das Thema Nachhaltigkeit in Hamborn verankert ist. Dies wird auch und besonders durch die Vielzahl der nach Demeter-Richtlinien arbeitenden ökologischen Betriebe deutlich.

Anlass und Zielsetzung der Maßnahme

Der Anlass der Maßnahme entspringt dem Wunsch der Einwohner*innen Schloss Hamborns neben ökologisch erzeugten Lebensmitteln, Heizenergie aus nachwachsenden Rohstoffen und grünem Strom zukünftig auch im Bereich der Mobilität Möglichkeiten zu nutzen, die ihrer ökologischen Grundeinstellung gerecht werden.

Ein zweites großes Anliegen besteht darin, den sozialen Zusammenhalt der Dorfbewohner durch neue Formen der Vernetzung zu stärken. Durch das beständige Wachstum und die vielfältigen Ausprägungen der gesamten Einrichtung, kann dem Einzelnen der Gesamtüberblick verloren gehen. Um Gemeinschaft im Dorf über die arbeitsbedingten Beziehungen hinaus wieder als Einheit erlebbar zu machen, wollen wir Begegnungen und Zugehörigkeit durch bewusst verstärkte Sozial- und Umweltgedanken ermöglichen.

Neben in unterschiedlicher Weise vorhandenen kulturellen Angeboten fördern wir den Gemeinschaftssinn im Alltag durch lebenspraktische Tätigkeiten. Indem es zu einer Selbstverständlichkeit wird, die eigenen Autofahrten für die Allgemeinheit öffentlich darzustellen, entstehen Begegnungen „quer durch die Gesellschaft“. Es entsteht reger Austausch zwischen Jung und Alt, Familien und Alleinlebenden, Berufstätigen und Schüler*innen, Hilfsbedürftigen und Hilfsbereiten. Soziale Räume werden durchlässiger bei gleichzeitiger Reduktion des Verkehrsaufkommens und der Umweltbelastung.

Im Hinblick auf die vielen in Schloss Hamborn lebenden Jugendlichen aus Mitarbeiterfamilien sowie der Kinder- und Jugendhilfe wird es von breiten Teilen der Anwohner*innen und Mitarbeitenden geradezu als Pflicht und pädagogischer Auftrag empfunden, diesen jungen Menschen neue Wege aufzuzeigen und erlebbar zu machen, wie Mobilität resourcenschonend möglich ist. Als eine echt gelebte Umsetzung der eigenen ökologischen Überzeugungen hat dieses Projekt eine auch pädagogisch wirksame Vorbildfunktion, zeigt es doch die Verantwortung eines jeden Menschen gegenüber der Welt in Zeiten des Klimawandels auf.

Neben den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen steht der Bedarf an Mobilität ganz weit oben. Jugendliche, alte Menschen, Führerscheinlose und Menschen in der Verselbständigung eint das Bedürfnis, mobil zu sein. Die Anbindung an die umliegenden Gemeinden und die nahegelegene Stadt Paderborn durch öffentliche Verkehrsmittel ist, besonders abends und am Wochenende, unzureichend. Mitfahrgelegenheiten aus dem direkten Umfeld erhöhen die Chancen, am kulturellen Leben in der Region teilzuhaben und den Beziehungsraum zu erweitern.

Durch Einsicht in die alltäglichen Fahrten besteht die Möglichkeit, Einkäufe sowie Unternehmungen zusammenzuführen. Mittels Buchungsplattform wird die Bereitschaft, während einer Fahrt auch Besorgungen für andere zu tätigen, mitgeteilt. Die Waren werden neben dem zentral parkenden Gemeinschaftsfahrzeug im Warenabstellschrank deponiert, der mit einer individuellen Mitgliedspin vor fremdem Zugriff gesichert ist.

Individuelle Fahrten erhöhen das Verkehrsaufkommen in Schloss Hamborn. Durch Gemeinschaftsfahrten und -fahrzeuge ist zu erwarten, dass sich dieses Verkehrsaufkommen reduziert. Es ist angestrebt, dass Mitglieder des Vereins auf die Anschaffung eines Zweitwagens oder generell auf ein Auto verzichten, da sich eine Vielzahl an Möglichkeiten der Mitfahrt bieten oder Individualfahrten mit dem Gemeinschaftsfahrzeug erledigt werden, die dann ihrerseits Mitfahrt für andere ermöglichen können. Dadurch muss weniger Parkraum vorgehalten werden. Zusammen erfährt der Ort dadurch mehr Lebensraum für Mensch und Natur.

Durch ein vielfältiges Angebot an Gemeinschaftsfahrzeugen, wie E-Auto, Lastenfahrrad, Speed- und normales Pedelec können alle Fahrten bedarfsgerecht erledigt werden. Als Einzelperson kann ich überlegen, ob ich wirklich ein Auto brauche oder mein Ziel auch mit E-Lastenrad oder E-Bike erreichbar ist. Durch diese flexible Nutzung wird der Energieverbrauch und Parkraumbedarf in der Region reduziert.

Projektbausteine

Das Vereinsprojekt Gemeinschaft erFahren verfolgt das Ziel, die Umweltbelastung im Mobilitätsbereich durch folgende Projektbausteine zu reduzieren.

Buchungsplattform

Die Buchungsplattform als Herz des Projektes ermöglicht die Koordination der Gemeinschaftsfahrzeuge sowie die Ausleihmöglichkeit vorhandener Privatfahrzeuge. Auch die Mitfahrgelegenheiten und Besorgungen füreinander werden planbar wodurch soziale Synergien gebildet und gestärkt werden.

Mitfahrbänke

In Schloss Hamborn, Borchen und Paderborn sollen Haltepunkte eingerichtet werden, die spontane Mitfahrgelegenheiten nach Borchen und Paderborn und zurück ermöglichen. Autofahrer*innen können dort Wartende mitnehmen. Das Angebot steht über die Hamborner Gemeinschaft hinaus jedem zur Verfügung.

Mitfahrgelegenheit durch digitale Fahrtenübersicht

Jede registrierte Person kann Fahrten zur Mitfahrt anmelden, egal ob E-Auto oder Verbrenner, Privatwagen oder Gemeinschaftsfahrzeug. Suchende Personen können sich aus dem Angebot die passende Fahrt aussuchen und mit dem/r Fahrer*in direkt in Kontakt treten.

Mitbringmöglichkeit

Mittels Buchungsplattform wird die Bereitschaft während einer Fahrt Besorgungen für andere zu tätigen mitgeteilt. Autofahrten, Zeit und finanzieller Aufwand können reduziert werden, indem das Abholen von Produkten aus Apotheke, Buchhandlung u.ä. entfällt. Mitglieder die sowieso unterwegs sind, können, effektiv durch die Buchungsplattform organisiert, ganz „nebenbei“ solche Besorgungsfahrten erledigen. Die Waren werden neben dem zentral parkenden Gemeinschaftsfahrzeug im Warenabstellschrank deponiert, der mit einer individuellen Mitgliedspin vor fremdem Zugriff gesichert ist.

Gemeinschaftsmobile mit alternativem Antrieb

Durch die Neuanschaffung eines Elektroautos (Zoe), zweier Pedelecs, eines E-Rollers sowie eines Lastenfahrrads sollen Alternativen zum herkömmlichen Auto angeboten werden und eine Auswahl hin zur kleinstmöglichen Motorisierung gefördert werden– für jede Fahrt das kleinstmögliche Vehikel.

Mittels Buchungsplattform sind die Gemeinschaftsmobile für einen definierten Zeitraum nutzbar. Unterschiedliche Buchungsmodi erhöhen die Verfügbarkeit und damit die Ausnutzung der Mobile. Stehen diese Gemeinschaftsmobile aufgrund hoher Auslastung nicht zur Verfügung, kann der Nutzer auf angebotene Mobile in der Nachbarschaft zurückgreifen.

Zielgruppe der Maßnahme

Das Projekt richtet sich an eine Vielzahl von Menschen, die in unterschiedlicher Weise mit Schloss Hamborn verbunden sind. Dazu gehören u. a. Jugendliche der Mitarbeiterfamilien sowie der Kinder- und Jugendhilfe, Schüler und Eltern der ortsansässigen Waldorfschule (Rudolf-Steiner-Schule), Bewohner des Altenwerks, Bewohner der sozialpädagogischen Wohngruppen sowie des ambulant betreuten Wohnens, weitere Mitarbeiter*innen und deren Angehörige der Rudolf-Steiner Werkgemeinschaft e.V., des Waldorf-Kindergartens, des Hofguts sowie Mitarbeiter*innen, die außerhalb wohnen. Auch Menschen, die sich vorübergehend in Schloss Hamborn aufhalten, wie Patient*innen der Reha-Klinik, Praktikant*innen, Dozierende, Lernende, und Mitarbeitende aus anthroposophischen Netzwerken können das Angebot nutzen.

Projektträger

Initiator des Projekts ist der gemeinnützige Verein „TEILBAR Schloss Hamborn e.V.“. Er setzt sich dafür ein, in und um Schloss Hamborn einen resourcenschonenden und gemeinschaftsfördernden Lebensraum zu gestalten. Dieses Ziel soll vorrangig durch sparsamen Verbrauch und solidarisches Teilen vorhandener privater sowie geeigneter noch gemeinsam anzuschaffender Mittel erreicht werden. Jeder Mensch – und deutlicher noch, viele Menschen miteinander – können konkret etwas für die Erde, den Umwelt- und Klimaschutz tun.

In der Mitgliederversammlung im Januar 2020 wurden folgende Vereinsbeiträge festgelegt:
– Haushaltsgemeinschaft: 60€/ Jahr
– Einzelpersonen: 40€/ Jahr
– Schüler, Studenten & Grundsicherungsbezieher: 10€/ Jahr

Durchführungszeitraum

Abgabe Leader-Förderantrag voraussichtlich Ende August 2020
Voraussichtlicher Erhalt des Bewilligungsbescheides und Beginn der Umsetzung Ende September (Bestellung, Aufstellung, Installation, Inbetriebnahme von Ladeinfrastruktur, Fahrradstellplatz, Buchungsplattform, Fahrrädern)
Inbetriebnahme Zoe nach Lieferung, Anfang 2021
Abwicklung des Projektes (Abrechnung, Verwendungsnachweise ) Ende März 2021

Nutzungsentgelte

Für die Nutzung des E-Mobil werden wir ein kilometer- und zeitabhängiges Nutzungsentgelt erheben.

E-Auto: 10 ct./ km plus 1,- €/ Stunde (24-Stundenpauschale: 12,- €)
E-Fahrräder: 0,50 ct./ Stunde (24-Stundenpauschale: 6,- €)

Projektpartner und Unterstützer

Stiftung Sparkasse Paderborn-Detmold, Stadtwerke Paderborn, Kornblume Paderborn, Young & Rabbit Grafikbüro, Spybot Antivirus

Ausblick

Nach erfolgreicher Umsetzung soll im zweiten Projektabschnitt die Möglichkeit des Teilens auf weitere Ebenen des Lebens ausgeweitet werden: Alltagsgegenstände, Schenkung- Abgabe-Verkauf, ehrenamtliches Engagement, Workshops, Pädagogische Lernaktionen, Kennenlernen von anderen Arbeitsbereichen, Unternehmungen und Freizeitaktivitäten und Veranstaltungen.v
Nach erfolgreicher Umsetzung der Ideen können Projekterfahrungen und -bausteine in andere Gemeinschaften weitergetragen werden.

Zusammenfassung

Die ökologisch orientierte Grundeinstellung, eine Bereitschaft für das Einüben von verbindlicher Zusammenarbeit sowie ein verträgliches nachbarschaftliches Miteinander sind die Grundvoraussetzungen für das Gelingen des hier beschriebenen Projektes. Diese Werte leben in Schloss Hamborn.

Durch unsere Initiative lassen sich gleich mehrere Anliegen realisieren: Ökologische Grundausrichtung leben, Gemeinschaftssinn fördern, Begegnung der Generationen ermöglichen, Bedürfnis nach Mobilität erfüllen, Ausgleich des mangelhaften öffentlichen Nahverkehrs, pädagogischer Auftrag, Synergien bilden im Einkaufsverhalten, Reduktion des hohen Verkehrsaufkommens, verminderter Parkplatzbedarf, vielfältiges Angebot an Gemeinschaftsfahrzeugen .…und das Ganze nicht nur für einen Projektzeitraum von 5 Jahren, sondern nachhaltig ausgerichtet.

Es soll verstanden werden als Impuls für einen grundsätzlichen Wandel im Mobilitätsverständnis und damit im Umgang mit unserer natürlichen Lebensgrundlage.